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Sprüche und Widersprüche:

Wie kam Dir die Idee, Übersetzerin zu werden?
Ich hab im Ausland studiert, und da kam es vor, dass sich Menschen aus Deutschland und meinem Gastland trafen, und irgendwann sagte dann mal jemand: «Du sprichst doch beide Sprachen. Kannst Du nicht mal übersetzen?». Und das hab ich dann getan. Mit der Zeit wurde es immer mehr. Ich habe bei Veranstaltungen und Konferenzen gedolmetscht, Artikel und Bücher übersetzt, und als ich wieder nach Deutschland zurück kam, hab ich mein Examen als Staatlich geprüfte Dolmetscherin und Übersetzerin gemacht.

Gab es auf Deinem Weg Vorbilder oder jemanden, der Dich bestärkt und unterstützt hat?

Ich hatte eine Chefin, die mich unterstützte. Sie legte sich mit der firmeneigenen Übersetzerin an, die meinte, dass weder das Buch noch die Begleittexte für eine geplante Ausstellung übersetzbar seien. Sie wollte sogar die letzteren neu schreiben. Und dann kam meine Chefin und sagte wieder diesen Satz «Du sprichst doch beide Sprachen. Kannst Du nicht übersetzen?» Und seit der Zeit bekam ich von ihr öfters Aufträge nebenher. Das Honorar dafür hat mein Einkommen damals deutlich aufgebessert.

Mein Vorbild in all den Jahren ist die sowjetisch-jüdische Übersetzerin Nora Gal´ (eigentlich Eleonora Jakowlewna Galperina). Ihr Buch „Das lebendige und das tote Wort“ ist eine hervorragende Übersetzerschule. Ganz klar sagt sie darin, dass man nie Wort für Wort übersetzen kann. Jedes Wort, jede Phrase, jeder Satz hat seine eigene Bedeutung, und die gilt es zu erfassen! Das führt zu Texten, die genau ausdrücken, was der Autor sagt, die aber beim Vergleich formell ganz anders aussehen können als das Original. Diese Metamorphose jedes Mal mitzugestalten, ist das Erstaunlichste, was mich an der Sprache immer wieder fasziniert.

Welchen Auftrag würdest Du ablehnen?

Ich würde nicht, sondern ich habe bereits mehrfach Aufträge abgelehnt, die gegen die Menschenwürde verstoßen und die Grenzen von Menschlichkeit verletzen.

Sein und Haben:

Wohin ging Deine weiteste Reise?

Ich würde es nicht an einer bestimmten Reise festmachen, weil ich mich immer wie auf einer Reise wahrnehme. Eingrenzen könnte man das Feld meiner Reisen jedoch mit Thailand im Süden, Nowosibirsk im Osten und Island im Norden und Westen. Durch Island geht eine Art Riss. Dort stand ich mal mit einem Bein auf der Europäischen und mit dem anderen Bein auf der Amerikanischen Kontinentalplatte. Bis Amerika selbst habe ich es aber noch nicht geschafft.

Gibt es ein Buch, das Dich geprägt hat?

Ich glaube, das könnte „Narziss und Goldmund“ von Hermann Hesse sein. Ganz besonders hat mich die Passage über die Hochmut mein ganzes Leben lang begleitet:
»Liebe Brüder, ihr glaubet ja wohl beide nicht, dass ich von diesen Sachen ebenso viel verstünde wie ihr. Es ist löblich von Narziss, dass die Schule ihm so sehr am Herzen liegt und dass er den Lehrplan zu verbessern strebt. Wenn aber sein Vorgesetzter anderer Meinung ist, so hat Narziss zu schweigen und zu gehorchen, und alle Verbesserungen der Schule wögen es nicht auf, wenn ihretwegen Ordnung und Gehorsam in diesem Haus gestört würden. Ich tadle Narziss, dass er nicht nachzugeben wusste. Und euch beiden jungen Gelehrten wünsche ich, es möge euch nie an Vorgesetzten mangeln, welche dümmer sind als ihr; nichts ist besser gegen den Hochmut.«

Ein liebenswerter Vorgesetzter, der sein eigenes Wertesystem kennt und vertritt, der Verbesserungen annehmen und gleichzeitig sein Wertesystem bewahren kann, ist für mich immer ein Leitbild gewesen und geblieben. Die Passage ist ein Plädoyer gegen Unnachgiebigkeit und Selbstgerechtigkeit.

Was motiviert Dich jeden Tag?

Dass es auf der Welt noch soooo viel zu entdecken gibt! Vor der eigenen Haustür, in Büchern, in Gesprächen mit Nachbarn und in mir selbst. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich nicht begierig auf das Neue war und nicht gestaunt habe.

Gott und die Welt:

Woran glaubst Du?

An Menschlichkeit im Menschen, so komisch das klingt.

Gibt es einen Ort, an dem Du Kraft sammeln kannst?

Da gibt es einige. Abends ist das mein Bett, in das ich mich in Dankbarkeit vergrabe. Manchmal ist das ein Gespräch, das mich bereichert hat. Dann wieder ist es ein Wald, in dem ich nur den Stimmen der Natur zuzuhören brauche oder ein Sturm, der irgendwelchen Unsinn aus mir heraus fegt. Aber eigentlich ist es die Dankbarkeit, die mir Kraft gibt.

Helfen Übersetzer und Dolmetscher dabei, die Welt zu einem besseren Ort zu machen?

Das kommt drauf an. *lacht* Es gab mal einen Roman, den ich in einer Übersetzung gelesen habe, die so grottenschlecht war, dass aus Karl dem Großen, dem Spross aus dem Geschlecht der Karolinger, ein König Charles wurde. Mehr als tausend Jahre fielen so mal eben unter den Tisch. Diese Oberflächlichkeit zog sich durch das ganze Buch und hat mich wütend gemacht! Das war wohl ein misslungener Versuch, die Welt besser zu machen.

Andererseits machen Dolmetscher und Übersetzer die Welt immer zu einem besseren Ort, wenn sie zur gegenseitigen Verständigung beitragen, die humanistischen Zielen gewidmet ist. Ich habe beispielsweise eine enorme Hochachtung vor den Dolmetscher:innen und Übersetzer:innen des Nürnberger Prozesses. Sie haben viele Ungeheuerlichkeiten übersetzt.  Das dürfte nicht leicht gewesen sein, und manchmal sind sie vielleicht an ihre Grenzen gestoßen. Vielleicht war aber die Bestrafung der Täter und die Anerkennung des Leids der Opfer das Ziel, für das es diese Mühen auf sich zu nehmen lohnte.

Freud und Leid:

Gibt es etwas Skurriles in Deiner Tätigkeit, woran Du auch nach langer Zeit immer noch denkst?

Ja, das war eine Hochzeit in einer kleinen Kirche in Radebeul. Ich hatte mir den Fuß gebrochen und wollte den Auftrag eigentlich absagen. Obwohl ich sehr gerne Hochzeiten dolmetsche. Die Brautleute fanden jedoch kurzfristig keinen Ersatz, und so waren wir uns schnell einig – ich komme mit Gehstütze und Orthese. Glücklicherweise hatte ich bei der Kleiderwahl farblich direkt ins Schwarze getroffen, und so stand ich dann farblich passend zur Braut mit Krückstock vor dem Altar und habe ihr die Worte des Ehesakraments gedolmetscht. Daran denke ich auch nach vielen Jahren noch.

Gab es einen Auftrag, der Dich besonders bewegt oder berührt hat?

Ja, die Eröffnung einer Ausstellung im Albertinum. Dort habe ich fast körperlich gespürt, dass ich eine rechte und eine linke Gehirnhälfte habe. Semantisch unterschieden sich die gleichen Worte auf beiden Seiten um Welten voneinander. Ich habe ein Wort gedolmetscht und gefühlt, dass jede Seite ihre eigenen Bedeutungen dort hineininterpretiert. Ich habe an diesem Tag geglaubt, dass Dolmetschen und gegenseitiges Verstehen unmöglich sei und war drauf und dran, den Beruf an den Nagel zu hängen … So tief ging bislang kein anderer Auftrag.

Welche Beziehung pflegst Du zu Deadlines?

Eine wie zum Regen – es gibt sie, und Widerstand dagegen ist zwecklos. Aber Freunde sind wir nicht unbedingt ????

Beruf und Berufung:

Wie sieht Dein idealer Kunde aus?

Oh, er schätzt mich und meine Arbeit und honoriert das auch. Er gibt mir einen verständlichen Auftrag, freut sich über zusätzliche Erklärungen zur Terminologie und über Hintergrundinformationen. Er steht für klärende Gespräche zur Verfügung und zahlt zeitnah ein anständiges Honorar. Glücklicherweise habe ich viele davon.

Was würdest Du im Beruf niemals tun?

Eine Arbeit abgeben, mit der ich selbst unzufrieden bin.

In einem Satz – was würdest Du Berufseinsteigern mit auf den Weg geben?

Ein Zitat aus einem russischen Film: An sich glauben, das Ziel vor Augen haben und über die Hindernisse hinwegsehen.

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